Da kann man nur den Hut ziehen
Freitag, 11.05.2018
Auch ohne Udo bekamen es die Mitwirkenden des 90-minütigen Programms „ganz locker“ hin, für Begeisterungsstürme im Festzelt zu sorgen. Die jungen Sänger, Schauspieler, Solisten, Tänzer und Instrumentalisten ernteten für ihr eindringliches Plädoyer für Frieden, Menschlichkeit, Mut und gegen jede Form von Rassismus am Ende frenetischen Applaus – von Enttäuschung also keine Spur. Zumindest bei den Schülern, Eltern und Gästen.
Die erste Enttäuschung von Achim Libischer nach der kurzfristigen Udo-Absage wich dann aber spätestens bei der Generalprobe am Freitagabend einem ganz anderen Gefühl: Dem Gefühl von Stolz auf das, was in den letzten drei Jahren erreicht wurde. Allen Zweiflern und Kritikern zum Trotz habe man festgehalten am Leitbild Udo Lindenberg, bekam 2017 den Titel „Schule mit Courage – Schule gegen Rassismus“ verliehen und darf seit 350 Tagen nun auch ganz offiziell den Namen Udo-Lindenberg-Mittelschule führen.
Dass es sich bei dem Namenspaten um einen noch lebenden Künstler aus der Unterhaltungsbranche handelt, war rückblickend wohl das größte Problem, resümierte Libischer. Doch in dem Wort „Unterhaltung“ stecke auch das Wort „Haltung“ – und dies sei genau der Punkt, wo man angesetzt habe. Denn seit nunmehr 50 Jahren kämpfe der Ausnahmekünstler für eine bessere Welt und gibt denjenigen Menschen eine Stimme, die sonst nicht gehört werden. Eine solche Haltung braucht es auch im Schulalltag, wo junge Menschen mitten in der Phase der Orientierung und Selbstfindung stecken. Man wolle Kinder, die überlegt den Mund aufmachen und keine „bocklose“ Generation.
Und das taten die Mittelschüler denn auch, erhoben lautstark ihre Stimmen gegen Rassismus, Rechtsradikalismus, Hass und Intoleranz. Schulchor, Schulorchester und Solisten ließen die Highlights aus dem „Projekt Lindenberg“ (2016) und Mutig gegen Rassismus“ (2017) noch einmal aufleben. Gleichzeitig führte die Revue durch das Leben und Wirken von Udo Lindenberg, der schon als kleiner Junge angesichts des Hungers in der Welt feststellt: „So ein Wahnsinn! Wir müssen was tun!“
Er beschließt, ein Trommler für den Frieden zu werden (packendes Schlagzeugsolo von Mauritz Küchler), und stellt als junger Mann fest: Ich bin selbst dafür verantwortlich, in welche Richtung sich mein Leben entwickelt und was ich daraus mache. Das erfordert Mut, und dazu fordert Udo Lindenberg in seinen Liedern immer wieder auf.
Mut braucht es aber auch, um sich einzumischen statt wegzusehen, stellten die Mittelschüler szenisch dar. Dass jeder Mensch gleich viel wert ist, verdeutlichte Sami Bakroun mit einem 20-Euro-Schein, der auch zerknüllt und zertreten seinen Wert nicht verliert. Heute aktueller denn je ist der Lindenberg-Song „Er wollte nach Deutschland“ aus dem Jahr 1982. Anhand der Geschichte von Hussein aus Afghanistan wurde deutlich, was es eigentlich bedeutet, vor Terror, Gewalt und Krieg fliehen zu müssen.
Und wozu sind Kriege denn überhaupt da? Ebenfalls ein zentrales Thema, welches Udo Lindenberg bereits seit dem Jahr 1981 „umtreibt“. Das gleichnamige Lied sorgte für Gänsehaut-Momente, und auch weitere Lindenberg-Hits wie „Mein Ding“ (gesungen und getanzt) und „Gegen die Strömung“ tauchten im Programm auf. Letztgenannter Song hat umgetextet in „Wir nennen uns jetzt Udo“ inzwischen fast schon den Status einer Schulhymne erreicht. Tosender Applaus war der verdiente Lohn für die Mitwirkenden, ein Stück weit aber auch für die Schulleitung um Rektor Egon Bauß und Konrektor Achim Libischer für ihren Mut und Einsatz, an der Orientierung der Schule mit Udo Lindenberg als pädagogischer Leitfigur konsequent festzuhalten. Da kann man nur den Hut ziehen – ob der „echte Hutträger“ nun anwesend war oder nicht.
40 Jahre alt und so jung und lebendig wie nie
Samstag, 12.05.2018
Keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigte die Udo-Lindenberg-Mittelschule nach den großen Jubiläumsfeierlichkeiten am Vorabend beim „Tag der offenen Tür“ am Samstag. Ausgestattet in einheitlichen, schwarzen T-Shirts mit dem Logo „Du machst dein Ding!“, füllte sich zum offiziellen Teil das Festzelt erneut in Windeseile mit Schülern, Eltern und Ehrengästen. Nun war es an der Zeit, dass auch das ein oder andere Grußwort gesprochen wurde.
Seit 40 Jahren gibt es jetzt die Haupt- und Mittelschule auf dem Schulberg in Mellrichstadt. Im November 1976 war Baubeginn für das heutige Gebäude und in den Sommerferien 1978 fand der Umzug in das fertige Schulhaus statt. Viel hat sich seitdem verändert: das Kollegium und die Schülerzahl (aktuell 361), die Anzahl der Klassen und deren Größe, die Unterrichtsfächer, die Ausstattung der Schule, die Außenfassade mit dem Udo Lindenberg-Konterfei und nicht zuletzt der Name.
Nach dem Eröffnungslied von Schulchor und -orchester „Wünsch dir was“ (Tote Hosen) meinte Rektor Egon Bauß augenzwinkernd, dass er mit dem Wünschen doch gleich einmal anfangen wolle. So wünschte er allen ein schönes Jubiläumsfest. Das nunmehr 40 Jahre alte Gebäude bestehe zwar aus Steinen, doch diese machen eine Schule noch längst nicht lebendig. Vielmehr muss diese auf lebendigen Beinen stehen – rechnet man alle Schüler, Lehrer und das übrige Personal zusammen, sind dies an der Udo-Lindenberg-Mittelschule momentan exakt 824 Beine an der Zahl.
Der ausdrückliche Dank von Egon Bauß galt auch den „fünf Säulen“, von denen die Bildungseinrichtung getragen wird: dem Schulverband als Sachaufwandsträger, allen Spendern und Mitgliedern des Fördervereins, der Regierung samt Schulamt mit Sitz in Bad Neustadt, der Elternschaft und nicht zuletzt den Schülern und Lehrerkollegen.
Bürgermeister Eberhard Streit in seiner Funktion als Schulverbandsvorsitzender betonte, dass Schule nicht gleich Schule und oft mit gemischten Gefühlen behaftet sei. Seiner Wahrnehmung nach ist die Udo-Lindenberg-Mittelschule Mellrichstadt jedoch eine Schule, die jedem, der sie besucht hat, irgendwie unvergesslich bleiben wird.
Nachdem sich der ursprüngliche Schulverband, bestehend aus Mellrichstadt, Oberstreu, Stockheim, Hendungen und Bastheim inzwischen um Fladungen, Hausen, Nordheim, Ostheim, Sondheim/Rhön und Willmars erweitert hat, besitzt man heute eine „Streutal-Mittelschule“, die in Mellrichstadt steht, deren Rektor aus Fladungen kommt und deren Konrektor ein Ostheimer ist: „Ein gelungeneres Beispiel für interkommunale Zusammenarbeit kann ich mir kaum vorstellen“, so Streit.
In seinem Grußwort betonte Rhön-Grabfelds stellvertretender Landrat Peter Suckfüll, dass in der heutigen Zeit mit ihrer rasanten digitalen Entwicklung Teamqualität, Kreativität und Eigeninitiative unverzichtbare Schlüssel zum Erfolg sind. Dessen sei sich die Schulleitung an der Udo-Lindenberg-Mittelschule bewusst und wird ihrem Anspruch gerecht, gleichermaßen Lern,- Lebens- und Integrationsstätte zu sein. Individualität, Selbstvertrauen, Weltoffenheit und Mut seien zentrale Werte, die hier Schülern mit auf den Weg gegeben werden.
Die Identifikation mit Udo Lindenberg und seine Aussage „Du machst ein Ding“ als Aufforderung, an sich und seine Stärken zu glauben, sei gerade für die Mittelschüler eine wichtige Botschaft.
Davon, dass es sich bei der Udo-Lindenberg-Schule um eine „bunte Schule“ handelt, die nicht 40 Jahre alt, sondern vielmehr 40 Jahre jung geblieben ist, konnten sich im Anschluss beim „Tag der offenen Tür“ viele Besucher überzeugen. Alle 18 Klassen von der 5a bis zur 9P beteiligten sich mit verschiedenen Projekten und Aktionen in den Klassenzimmern, auf dem Pausenhof und im Festzelt. Das Programm reichte vom Kinderschminken, einem Karaoke-Wettbewerb, Seifenkisten-Rennen, einem Spielemobil, Slackline und Musikdarbietungen bis hin zu einer Modenschau und einer märchenhaften Theateraufführung.
Im Schulhaus luden alte Klassenfotos, eine Leseecke mit alten Schülerzeitungen und Jahresberichten sowie die Abschluss-T-Shirts vergangener Jahrgänge alle Ehemaligen zum Schwelgen in Erinnerungen ein. Die Versorgung der Gäste mit Gegrilltem, Pommes, Kaffee und Kuchen hatte der Elternbeirat übernommen, im Schülercafé wurden zudem vegetarische Speisen angeboten, so dass auch in kulinarischer Hinsicht keinerlei Wünsche offen blieben.