Es war die dritte von insgesamt vier Unterrichtseinheiten, zu der sich am vergangenen Donnerstag fünf Schüler aus der Schülerfirma „Technik“ der Udo-Lindenberg-Mittelschule in Mellrichstadt getroffen hatten. Zwei ihrer Kameraden fehlten leider, dafür aber war neben ihrem Techniklehrer Manuel Wengel auch Pius Bühner aus Sandberg im großen Werkraum der Schule dabei. Dort war ein geschäftiges Handwerkeln zu beobachten. Es wurde gemessen, gesägt, gebohrt, geraspelt, gefeilt. Haselnussstäbe wurden mit einer Glasscherbe geglättet oder mit dem Zughobel oder der Raspel zugespitzt. Zwischendurch kreischte die Kreissäge, an die allerdings nur Lehrer Wengel wegen der Verletzungsgefahr ran durfte.
Mit Rat und Tat standen die beiden Erwachsenen den Schülern aus der 8. Jahrgangsstufe zur Seite: Sie bauten Holzrechen, wie sie im Garten oder auch in bäuerlichen Betrieben noch heute Verwendung finden. Manuel Wengel setzt damit als Lehrer eine Tradition fort, die er begonnen hat und die nun schon etliche Jahre andauert. Da waren schon große Krippenfiguren aus Holz gestaltet worden, Seifenkisten-ähnliche Gefährte waren konstruiert worden, Flöße, die zur Riesengaudis von Schülern und Lehrern bei der Wirsingsmühle am Stauwehr der Streu ausprobiert wurden. Angeln hatte sie gebaut, mit denen man Fische aus dem Kirschgartenteich ziehen konnte; und richtige, elegante Langbögen hatten sie hergestellt, mit denen man auf sportliche Weise Pfeile verschießen konnte.
Jetzt also waren die Gartenrechen dran. In den drei vorausgegangenen Unterrichtseinheiten war schon eine ganze Menge geleistet worden. Denn jede Unterrichtseinheit umfasst vier normale Schulstunden, da lässt sich schon was wegarbeiten. Diese Stunden allerdings finden und fanden am Nachmittag statt. Denn alles geschah auf freiwilliger Basis. Die Schüler hatten sich zu diesem Kurs gemeldet, um gemeinsam und unter Anleitung der beiden Erwachsenen diese Geräte aus Holz anzufertigen, ganz in der bäuerlichen Tradition, wie sie besonders auch bei uns in der Rhön zuhause war und noch ist. Dass diese noch lebt, dafür ist Bühner selbst ein Beweis. Zwar ist er gelernter Tischler, Maschinenbauer und Fensterbauer, aber aus Neigung hat er sich auch perfekte Fähigkeiten im Anfertigen bäuerlicher Geräte angeeignet. Dafür, erzählte er stolz, hatte sein Vater bei ihm, als er sechs Jahre alt war, den Keim gelegt, und der hat nun so überzeugende, wenn auch späte Blüten getragen. Sein Wissen und seine Erfahrung gibt er nun an die Schüler weiter.
Wengel ist nicht nur gelernter Schreinermeister, sondern auch ein höchst bewusster Pädagoge. Er weiß, dass es seine Schüler mit Stolz erfüllt, wenn sie am Ende ein von ihnen selbst gebautes, durchaus einsetzbares Gartengerät in der Hand halten. Daraus erwächst das Selbstbewusstsein: Ja, ich kann was, ich kann mir selber helfen, ich weiß´, wie man’s anpackt. Das sind unbezahlbare Erfahrungen im frühen Lebensalter, die dem späteren Berufseinsteiger zugutekommen.
Doch man glaube nicht, dass das alles so einfach wäre. Bühner macht den aufmerksam zuhörenden Schülern immer wieder klar, und er spricht aus langer Erfahrung, worauf es ankommt: z. B. auf das passgerechte Schnitzen von Zinken für den „Hääd“ (= Sandberger Mundart, soviel wie „Haupt“ oder „Kopf“), dass dort die Bohrungen akkurat vorgenommen sein müssen, dass die aus Haselnussästen naturgewachsenen Stiele in ihrem Schwerpunkt erfasst und in einem bestimmten Winkel eingestielt werden, dass sie dazu auch in einem bestimmten Winkel erst angespitzt werden. Methoden, wie man Holz glättet, lernen die Schüler, u. a. mit der verblüffend einfachen, aber wirkungsvollen Glasscherbe. Messen lernen sie mit dem Metermaß und dem Schreinerwinkel, begreifen, wie man Holzteile verzapft, ohne einen einzigen Topfen Tischlerleim zu gebrauchen; wie man sich zu einem sauberen Sägeschnitt anstellt und wie man schließlich insgesamt einen ganzen Bauplan erlernt mit allen seinen Einzelabläufen.
Bis zur dritten Unterrichtseinheit hatten die Schüler die Stiele entrindet und geglättet, die Eschenholzköpfe mit Bohrungen versehen, aus Eschenholzscheiten auch die Zinken mit dem Beil abgespaltet, mit der richtigen Länge und dem richtigen Durchmesser leicht konisch zurechtgestutzt und in den Kopf des Rechens eingeklopft. Nun steht noch in der letzten Unterrichtseinheit eine spannende Aufgabe bevor: Durch den Stiel und in den Rechenkopf sollen noch dünne Weißdornäste in der Form eines Halbkreisbogens gezogen und befestigt werden, in zwei konzentrischen Halbkreisen sozusagen. Die sind später beim Arbeitseinsatz wirkungsvolle Gras- und Laubfänger und erhöhen die Effektivität beim Arbeiten.
Was mit den Rechen geschieht, frage ich Manuel Wengel. Nein, zum Verkauf sind sie nicht unbedingt gedacht. Bei den herbstlichen Arbeiten auf dem Freigelände um die Schule könnten sie zum Laubzusammenrechen gebraucht werden. Ich frage Lars Fiedler, ob er sein Gerät mit nach Hause nehmen darf. Er grinst und nickt. Was er damit daheim mache? „Ich stelle den Rechen erst einmal eine Zeitlang in mein Zimmer!“ Deutlicher kann man nicht zum Ausdruck bringen, dass ein junger Mensch stolz ist auf das Werk seiner Hände. Und alle Sympathien gehören ihm auch.