Die Udo-Lindenberg-Mittelschule erhielt den mit 1.000 Euro dotierten 15. Strecks-Brauhaus-Kulturpreis, der seit 1988 von der kunstsinningen Familie Dr. Rainer und Christine Kochinki aus Ostheim ausgelobt wird. Mit den Worten „Da ist das Ding!“ überreichte Brauereichef Axel Kochinki die Trophäe am Donnerstag an eine Schulfamilie, die bekanntermaßen „ihr Ding“ macht – „egal, was die andern sagen.“ Das waren an diesem Abend allerdings ausnahmslos lobende Worte. Den Kulturpreis gab’s für das von der Schule selbst inszenierte Theaterstück „Unterm selben Stern“ (2019), das die Wiedervereinigung insbesondere für ein jüngeres Publikum anschaulich und begreifbar aufgearbeitet hat.

Den Wanderpokal durfte Schulleiter Achim Libischer aus den Händen des vorherigen Preisträgers Gerhard Schätzlein entgegennehmen. Die Idee zu „Unterm selben Stern“ kam Libischer bereits, als Schätzlein 2016 mit dem Strecks-Brauhaus-Kulturpreis ausgezeichnet wurde. Der Buchautor aus Filke hat in seinen Werken wie der Buchreihe „Grenzerfahrungen“ und „Flucht aus der DDR“ viele Einzelschicksale der deutsch-deutschen Teilung literarisch aufgearbeitet. Als Quelle dienten Schätzlein unter anderem auch Stasi-Akten. Eine von ihnen hat der „Drehbuchautor“ Achim Libischer aufgegriffen und daraus das Stück „Unterm selben Stern“ entwickelt.  

Entstanden daraus ist ein Meisterwerk, das wohl niemand so erwarten durfte. Das sah nicht nur Lehrer Manuel Schmidt so, doch war schließlich er es, der die Initiative ergriff und die Bewerbung für den Kulturpreis einreichte. Eine Bewerbung, die von Erfolg gekrönt war. Aus sieben Vorschlägen, die bei der Fachjury eingingen, fiel die Wahl auf die Udo-Lindenberg-Mittelschule.

„Alle Tage sind gleich lang, jedoch verschieden breit.“ Mit diesem Zitat von Udo Lindenberg begrüßte Axel Kochinki alle Anwesenden im Namen seiner Eltern Christine und Dr. Rainer Kochinki, zur feierlichen Preisübergabe. In diesem Satz stecke das, was die Stifter mit dem Kulturpreis fördern wollen: „Nämlich Menschen, die unsere immer gleich langen Tage mit besonderen Inhalten füllen und dadurch das Leben schöner, breiter und glücklicher machen. Das sind Kulturschaffende“, so Kochinki. Zu seinem Bedauern konnten Corona-bedingt nicht alle Personen eingeladen werden, die ihren Anteil an der Auszeichnung hatten – allen voran die Lehrer, Schüler und Eltern.

Musikalisch wurde die Feierstunde von Joel Fritzges (Geige), Till Herbart (Gitarre und Gesang), Anne Abe (E-Piano) und Nathalie Last (Gesang) unter der Leitung von Lehrer Bastian Reukauf wunderbar bereichert (Axel Kochinki: „Kultur in Reinform!“). Die Laudatio sprach Eberhard Streit, ehemaliger Schulverbandsvorsitzender und Bürgermeister der Stadt Mellrichstadt.

„Alle Menschen haben die Anlage, schöpferisch zu arbeiten, nur merken es die meisten nicht – wenn sie nicht von engagierten Wegbegleitern dazu angehalten werden.“ Eberhard Streit war mit der Jury einer Meinung, dass sich die Bildungseinrichtung den Preis und die damit verbundene Anerkennung in hohem Maße verdient hat, da sich die Verantwortlichen weit über ihre berufliche Verpflichtung hinaus für die Schule, die Schülerinnen und Schüler und eine Kultur des Miteinanders einsetzen.

Rückblick: Nach der Flüchtlingswelle 2016 hatte die Schule über Nacht die zusätzliche Aufgabe, zahlreiche Kinder asylsuchender syrischer Familien mit den unterschiedlichsten Vorbildungen aufzunehmen und zu integrieren. Als Antwort auf all diese Herausforderung erinnerten sich der damalige Schulleiter Egon Bauß und Konrektor Achim Libischer an einen Künstler, der wie kaum ein anderer zu allen Zeiten für das Miteinander von Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen eingetreten ist. Die Idee der „Udo-Lindenberg-Mittelschule“ war geboren.

Eine Idee, mit der man sich anfangs nicht nur Freunde machte, hinter der Eberhard Streit aber von Beginn an stand. Schließlich sei es den Verantwortlichen nicht um Effekthascherei gegangen, sondern um einen Künstler, der zeigt, dass man nach Abstürzen immer wieder aufstehen kann und der bedingungslos für Vielfalt, Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Menschen und für ein friedliches Miteinander der Kulturen wirbt: „Ein Idol, das zu unserer Schule und den Problemen der Zeit passt.“

Die Schüler selbst haben die Idee bei Großprojekten immer wieder mit Leben erfüllt und die aktuelle Zeitgeschichte – von den komplexen Problemen großer Flüchtlingsströme bis zur Aufarbeitung der Wiedervereinigung – in kreativer Weise künstlerisch und musikalisch aufbereitet und der Öffentlichkeit präsentiert. Den bisherigen Höhepunkt bildete die letzte und sicher am aufwendigsten inszenierte Aufführung „Unterm selben Stern“. Über 100 Mitwirkende (darunter auch Flüchtlingskinder) waren auf oder hinter der Bühne beteiligt – als Schauspieler, Chorsänger, Solisten, Musiker, Tänzer und Kulissenbauer. Selbst ein Filmteam war involviert und hat am ehemaligen Grenzstreifen einen Kurzfilm zur Einweisung in das Thema produziert. Für ihre Leistungen ernteten die Kinder „Standing Ovations“ und rührten selbst ihre Lehrer zu Tränen. Eberhard Streit: „Wer dabei war, kann ausnahmslos bestätigen, dass bei allen Aufführungen stets Gänsehautstimmung garantiert war.“

Sein Fazit: „Hier an der Udo-Lindenberg-Mittelschule wird nachweislich viel dafür getan, dass aus den Kindern, die hier zur Schule gehen, mutige, starke und weltoffene Persönlichkeiten werden. Selbstbewusste junge Menschen, die für unsere Demokratie eintreten, Freiheit und Grundrechte verteidigen. Deshalb hat die Schule insgesamt den Strecks-Brauhaus-Kulturpreis aus Sicht der Jury auch mehr als verdient.“

„Wenn man so gelobt wurde, fällt es schwer, selbst noch etwas zu sagen“, so Schulleiter Achim Libischer in seinem Grußwort. Eines musste seiner Meinung nach aber unbedingt noch gesagt werden: Nicht einzelne Akteure, sondern alle zusammen haben „Unterm selben Stern“ als großes Gemeinschaftsprojekt erst möglich gemacht. Wie bei einer Maschine, die nur durch das Zusammenspiel ihrer Teile funktioniert, habe ein Rädchen ins andere gegriffen. Auch das kleinste Rädchen sei gleichermaßen wichtig und wertvoll gewesen.

Auch der neue Bürgermeister und Schulverbandvorsitzende Michael Kraus zeigte sich stolz und beeindruckt, was für eine Kreativität der Geist Udo Lindenbergs in der Mittelschule auslöst, verbunden mit dem Wunsch: „Ich hoffe, dass das kulturelle Feuer an der Schule nicht ausgeht.“ Besonders bemerkenswert sei für ihn die Tatsache, dass Schüler und Lehrer monatelang in ihrer Freizeit und neben dem laufenden Schulbetrieb für „Unterm selben Stern“ geprobt haben. Ein Theaterstück, „das als beeindruckendes Schauspiel in die Geschichte der Schule und der Stadt eingehen wird“, so Michael Kraus.

Seine Aufforderung „Weiter so!“ fiel auf fruchtbaren Boden. Längst hat Achim Libischer die nächste Idee in der Schublade liegen und verfügt mit dem Preisgeld von 1.000 Euro auch über das nötige „Kleingeld“ für deren Umsetzung. Corona-bedingt sei die Schublade allerdings noch unter Verschluss. Mehr wollte der Schulleiter noch nicht verraten. Man darf gespannt sein.

 

 

Text:   Streutal-Journal / Carmen Hahner

Fotos: Streutal-Journal / Carmen Hahner
              Simone Haupt