Seit drei Jahren schon pflegen die Udo-Lindenberg-Mittelschule (ULMS) Mellrichstadt und das Überlandwerk Rhön (ÜWR) eine für beide Seiten gedeihliche Partnerschaft. Die besteht darin, dass die 8. oder, wie an drei vergangenen Tagen dieser Woche, die 9. Klassen einmal im Jahr das Klassenzimmer vertauschen mit der Niederlassung des kommunalen Stromlieferanten und Netzbetreibers in der Sondheimer Straße, um dort in einer Betriebsbesichtigung diese Firma von innen kennenzulernen.

Das geschieht mit einem Vortrag und einem Gang zu den wichtigsten Abteilungen der Firma. In einem zweiten Abschnitt nehmen die Schüler dann teil an einem praktischen Workshop. Diesen Tag bereiten die ULMS und die Vertreter des ÜWR immer sehr sorgfältig und in enger Absprache vor.

Ganz ahnungslos kamen die Schüler an den vergangenen Tagen nicht, zu dem – diesmal „Elektrotag“ genannten – Besuch im ÜWR. Denn mit ihren Lehrern hatten sie im Rahmen des Unterrichts zuvor Erkundungen eingezogen, was das Überlandwerk seinem auszubildenden Nachwuchs anbietet. Die Ergebnisse wurden sauber schriftlich festgehalten, vervielfältigt und an alle Schüler weitergegeben. So musste Wolfgang Pfeiffer (er ist für den Stromeinkauf und –vertrieb verantwortlich, zugleich auch für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) gar nicht zu sehr ins Detail gehen, als er die Ausbildungsangebote seiner Firma vorstellte: die zum Industriekaufmann resp. zur Industriekauffrau, zum Elektroniker für Betriebstechnik und zur Fachkraft für Lagerlogistik. Die Schüler wussten auch schon, mit welchem Lohn sie als Azubi rechnen konnten, welche Anforderungen die jeweilige Ausbildung an den Bewerber stellt, welche Arbeitsorte diese mit sich bringt, welche Tätigkeiten praktisch auszuführen sind und welche Schulfächer der junge Mensch im Vorfeld dafür besonders im Auge behalten sollte.

Manuel Wengel und seine Kolleginnen Ute Hofmann und Lena Grötsch, die am vergangenen Dienstag die Klasse 9M beim ÜWR begleiteten, erklärten, dass dieser Besuch mehr als nur eine Abwechslung im Schulalltag für ihre Schüler darstellt. Vielmehr ist diese den ganzen Vormittag füllende Exkursion fest im Lehrplan der bayerischen Mittelschulen verankert. Für die ULMS ist sie zwar keineswegs der einzige, aber ein wichtiger Beitrag zur berufskundlichen Orientierung der jungen Leute. Diese treten ja in naher Zukunft ins Berufsleben ein. Es ist ein Kennzeichen dieses Schultyps, dass er sehr realitätsbezogen seine Schüler fit macht für das praktische Leben, sprich, dass dafür die Ausbildungsreife und Kompetenzen für einen Beruf vermittelt werden. Zu den Kompetenzen gehört z. B. das „Modell der vollständigen Handlung“, wie es Wengel bezeichnete: Planen, Problemlösungen entwerfen, Durchführung sowie Bewerten bzw. Kontrolle. Das sind die Stufen, nach denen das selbständige Arbeiten an Projekten abläuft, ein Prozess, zu dem die Schüler in Eigeninitiative befähigt werden sollen. Die Mittelschule baut also frühzeitig Hemmschwellen ab und erleichtert damit dem Berufsnachwuchs den Übergang von der sie behütenden Welt der Schule in die Wirklichkeit des Berufsalltags.

Nach dem theoretischen Teil teilte sich die Klasse in drei Gruppen auf: Schüler mit den Ausbildungsschwerpunkten Technik, Soziales oder Wirtschaft. Die Techniker zogen um in eine Lehrwerkstatt, wo sie alles vorfanden, um den Bau eines elektronischen Schüttelwürfels vorzunehmen. Dazu hatte Wengel die Einzelteile als Bausatz besorgt, es lagen die Anleitungen dazu bereit (übrigens weitgehend in englischer Sprache!) sowie Formblätter, auf denen das zu verwendende Material bzw. der Arbeitsablauf festgehalten wurden. Der für die Ausbildung verantwortliche Ausbildungsmeister Peter Omert und mehrere Azubis standen den Schülern mit Rat und Tat zur Seite.

Die Wirtschaftler arbeiteten ausschließlich am Tisch und am PC. Ihr Arbeitsauftrag listete sechs Teilaufträge auf, deren Resultate schriftlich festzuhalten waren. Dazu brauchten sie einen kompetenten Interviewpartner des ÜWR wie Daniel Scheuring, dem Leiter der Abteilung Materialwirtschaft/Einkauf. Die Gruppe für Soziales bestand bis auf einen Jungen nur aus Mädchen. Die fanden im großen Schulungsraum zu ihrer Überraschung mehrere Modelle von Waschmaschinen vor, die die Technikgeschichte dieses im Haushalt unentbehrlichen Geräts illustrierten: vom relativ primitiven Holzbottich bis zum supermodernen Waschautomaten mit vielen Detailfunktionen. Ihnen stand der kaufmännische Ausbilder Andreas Hartung vom ÜWR zur Seite. Die zu lösenden Aufgaben waren ganz auf das Haushaltsgerät Waschmaschine und dessen Nützlichkeit im Alltag konzentriert. Für den Fall, dass eine Gruppe besonders schnell mit dem Lösen ihrer Aufgaben fertig war, gab es einen „Arbeitsauftrag für Schnelle“, der diese ins Personalbüro zum Bereich Lohnabrechnung führte.

Das ÜWR war wie in den Jahren zuvor auch diesmal ein guter Gastgeber. Getränke und ein Imbiss standen für alle bereit, außerdem Material für Notizen und mehrere Laptops. Der dafür investierte Aufwand lohnt sich offenbar für das ÜWR, denn mit dieser werbewirksamen Veranstaltung hatte dieses Unternehmen schon mehrere junge Mitarbeiter gewonnen. Einer davon, der den „Technikern“ bei der Lösung ihrer Aufgabe hilfreich beistand, erklärte, dass er im ersten Lehrjahr stehe und sehr gern in diesem Betrieb arbeite. Das ÜWR kommt mit einer Aktion wie dem „Elektrotag“ aber auch einer gesellschaftlich bedeutsamen Verpflichtung der Unternehmen allgemein nach, den jungen Menschen Perspektiven zu eröffnen und ihnen die Chance auf ein erfülltes Berufsleben zu bieten. Der Nutzen für die ULMS aber liegt auf der Hand. So ist anzunehmen, dass diese fruchtbare und dankenswerte Partnerschaft auch in den nächsten Jahren fortgesetzt wird.

 

 

Text und Bilder: Fred Rautenberg