Wann immer die Udo-Lindenberg-Mittelschule Mellrichstadt zu einem Pressegespräch einlädt, um ein neues Projekt vorzustellen, darf man gespannt sein, was die Schulfamilie wieder Großartiges „ausgeheckt“ hat. So war es auch am Montag, als Schulleiter Achim Libischer mit dem Videoclip „Imagine“ ein – so wörtlich – „Corona-Mutmach-Projekt“ vorstellte, an dessen Entstehung auch die Partnerschule St. Joseph House of Hope in Kenia sowie Schulpate Udo Lindenberg höchstpersönlich beteiligt war.
„Imagine“ – Stell dir vor! „Stell dir vor, alle Menschen leben in Frieden. Stell dir vor, es gibt nichts, wofür man morden oder sterben müsste. Stell dir vor, es gibt keinen Besitz, keinen Grund für Gier oder Hunger. Stell dir vor, alle Menschen teilen sich die Welt. Du wirst vielleicht sagen, ich bin ein Träumer, aber ich bin nicht der Einzige.“ Diese Friedensbotschaft in Anlehnung an John Lennons berühmtesten Titel „Imagine“ aus dem Jahr 1971 hat heute, 50 Jahre nach seiner Entstehung, ganz sicher nichts an Aktualität verloren – ganz im Gegenteil. Mehr denn je scheint es wichtig, dass dieses Lied gehört und wahrgenommen wird – und gerade von jungen Menschen mit dem Brustton der Überzeugung gesungen wird.
Neben all den Kriegen, Krisen und Konflikten stellt der Kampf gegen die Corona-Pandemie die Welt vor eine neue Herausforderung ungeahnten Ausmaßes. Weltweit schnellt die Zahl der Neuinfektionen und Corona-Toten in die Höhe, auch in Deutschland spitzt sich die Lage zu. Angesichts der weiter massiv steigenden Infektions- und Todeszahlen befindet sich das Land seit Mittwoch wieder im „harten“ Lockdown. Distanz ist das Gebot der Stunde. Die Schließung der Schulen trifft insbesondere Kinder und Jugendliche hart. Vorzeitige „Corona-Ferien“ – das klingt erst einmal gar nicht so schlecht. Doch die Freude darüber hält sich bei vielen Schülerinnen und Schülern in Grenzen, zumal sie ihre Klassenkameraden und Freunde nicht mehr treffen können. Das Fehlen sozialer Kontakte trifft gerade Kinder und Jugendliche hart.
Grund genug für Schulleiter Achim Libischer, seinen Schülerinnen und Schülern noch etwas mit zu geben in die verlängerten Weihnachtsferien, etwas das ihnen Mut macht: „Aufgrund von Corona geht es momentan nur um Distanz. Entgegengesetzt dazu wollten wir etwas schaffen, das die Gemeinschaft in den Mittelpunkt rückt, das uns zusammenschweißt und zeigt, dass es nur gemeinsam geht“, so Libischer.
Geschaffen wurde in einer großartigen Gemeinschaftsleistung ein Videoclip, der am vergangenen Freitag erstmals in der Schule gezeigt und bei YouTube innerhalb von nur drei Tagen bereits über 12.000 Mal aufgerufen und angeschaut wurde (möglich ist das auch über die Schul-Homepage www.mittelschule-mellrichstadt.de). „Das hätten wir nie erwartet, dass das Ding so durch die Decke geht“, freut sich Rektor Achim Libischer gemeinsam mit Lehrerin Kerstin Sauer, die auch den Schulchor der Udo-Lindenberg-Mittelschule unter ihren Fittichen hat, über die beachtliche Resonanz.
Als „zentrale Figur“ des Ganzen zeichnete Kerstin Sauer nicht nur verantwortlich für das Gesamtarrangement, sondern übernahm auch das Casting und die Regie. Mit ihrem Aufruf, eine Textzeile von „Imagine“ einzusingen, rannte sie sowohl bei den Schülerinnen und Schülern aller Jahrgangsstufen, aber auch im Kollegium offene Türen ein. Daneben tauchen weitere Mitglieder der Schulfamilie im Video auf, angefangen vom Hausmeisterehepaar Ewald und Beate Joachim über die Sekretärin Heike Werner bis hin zum Schul-Sozialpädagogen Martin Beck.
Ein Song, 100 Kinder, 30 Lehrer – wer macht was? Kerstin Sauer hat viel Zeit und Herzblut investiert, um jeden Mitwirkenden seinen Platz finden zu lassen. Ein Solo, Chorgesang oder Sprechgesang? „Es war so, wie es an unserer Schule ist: Für jeden musste genau der richtige Platz gefunden werden“, bilanziert Kerstin Sauer. „Auch bis für mich ein Plätzchen gefunden war, hat es ganz schön lange gedauert“, schmunzelt Achim Libischer. Sein Plan ging auf, trotz Corona und Distanz etwas Verbindendes zu schaffen, „einen Mutmach-Song“, kurzum „etwas Positives und Fröhliches, das man mit in die Ferien nehmen kann.“
Den Erfolg will sich Libischer aber nicht auf die eigenen Fahnen schreiben: „Eine Idee zu haben, ist das eine. Diese dann auch umzusetzen, ist das andere. Insbesondere vor den Kindern und ihrem Mut habe ich höchsten Respekt. Toll, dass sie sich getraut haben.“
Zur technischen Umsetzung holte man sich mit Sebastian Schneider aus Mellrichstadt, der Besitzer eines Tonstudios ist, professionelle Unterstützung ins Boot. Der Werkraum der Udo-Lindenberg-Mittelschule wurde kurzerhand in ein „schuleigenes“ Tonstudio umgewandelt, wo in einem ersten Durchlauf die Tonspuren aller Mitwirkenden einzeln aufgenommen wurden. Da zum Einsingen Kopfhörer getragen werden mussten, galt es in einem zweiten Durchgang, vor laufender Kamera für das Video noch eine Playback-Version (ohne Kopfhörer) zu singen. Achim Libischer: „Im fertigen Endprodukt sieht alles so einfach aus, aber es steckt eine Menge Arbeit dahinter.“ Lehrerin Kerstin Sauer gibt das Lob weiter: „Wir haben einfach tolle Kinder, mit denen man so was machen kann. An dem Gefühl, voll was geschafft zu haben, sind viele von ihnen gewachsen.“
Einige der Akteure durften stellvertretend für ihre Mitschüler beim Pressegespräch dabei sein. Till Herbart (10 M) hatte in der Vergangenheit schon die ein oder andere Schulveranstaltung mit Gesang und Gitarre bereichert. Ein Solo singt er auch im Video, wo man seiner Meinung nach „sehr gut sehen kann, wie bunt die Schule ist“. Allen Mitwirkenden habe es gut getan, zu sehen, zu was sie in der Lage sind. Seine Klassenkameradin Hella Endres (10 M) bezeichnet sich selbst „als nicht die größte Sängerin“, dennoch war es ihr ein Anliegen, sich mit einem Sprechgesang einzubringen: „Es geht schließlich nicht um die gesangliche Leistung, sondern die Botschaft, die dahintersteckt.“
Elias Müller und Sophia Tradt besuchen beide die 5. Jahrgangsstufe, gehören also zu den jüngsten Akteuren, die sich vor laufender Kamera präsentierten. „Ich bin stolz auf die vielen Klicks bei YouTube und finde es gut, dass nur wenig negative Kommentare abgegeben wurden“, meint Elias. Obwohl Sophia nur „Juhuu-uu“ einsingen musste, sei sie sehr aufgeregt gewesen, erklärt die Schülerin. Schließlich seien zwei große Scheinwerfer auf sie gerichtet gewesen.
Lina Then aus der 6. Klasse hat den gesamten englischen Text von „Imagine“ zwar nicht auf Anhieb verstanden, wohl aber die Botschaft dahinter: „In dem Lied geht es um Frieden und darum, etwas gegen den Hunger auf der Welt zu unternehmen.“
Da lag es für Schulleiter Achim Libischer nahe, für das Projekt auch die Partnerschule St. Joseph House of Hope mit ins Boot zu holen. Sein kenianischer Schulleiter-Kollege Charles Kyalo ließ sich sofort für die Idee begeistern, das Lied „Imagine“ auch mit seinen Schülern einzuspielen und Aufnahmen davon nach Mellrichstadt zu schicken. Wobei das St. Joseph House of Hope aufgrund des Corona-Lockdowns in Kenia momentan nur von zwei Klassen besucht werden kann. Diese waren allerdings mit vollem Einsatz dabei. „Die Verbindung mit Afrika macht das Ganze erst komplett“, meint Achim Libischer.
Einer durfte da zu guter Letzt nicht fehlen. Die Antwort auf eine WhatsApp-Anfrage von Achim Libischer an den Schulpaten Udo Lindenberg, ob er nicht auch eine Textzeile beisteuern will, kam prompt – für den prominenten Künstler, Bundesverdienstkreuzträger und Unicef-Botschafter war es Ehrensache, den letzten Satz einzusingen bzw. zu -sprechen und seine Sprachaufnahme an die Udo-Lindenberg-Mittelschule zu schicken: „I hope some day you will join us – and the world will live as one“: Ich hoffe, du wirst dich eines Tages uns anschließen – und die Welt wird leben als eine.
Stell dir vor – John Lennon könnte das noch erleben! Er wäre sicherlich verdammt stolz auf diese „Imagine“-Version einer Schule, bei der seine Friedensbotschaft zweifelsohne angekommen ist.
Hier finden Sie den Artikel vom Bayerischen Rundfunk: