Mutig gegen Rassismus

Schild als „Wegweiser“ für Patenonkel Udo

Am Ende gab es Standing Ovations, der Applaus wollte nicht enden. Mit ihrem Programm „Mutig gegen Rassismus“ begeisterten die rund 150 Mitwirkenden der Mittelschule Mellrichstadt restlos in der an zwei Abenden ausverkauften Oskar-Herbig-Halle. Sie alle gaben mit ihren Darbietungen ein lebendiges Zeugnis dafür ab, dass sie gemeinsam gegen Rassismus eintreten und Zivilcourage zeigen wollen, um ein Schulklima zu schaffen, in dem sich alle bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt einsetzen.

Die Begeisterung schwappte auf das Publikum über. Nach mehr als zwei Stunden ließen sich die jungen Sänger, Schauspieler, Solisten, Tänzer und Instrumentalisten – ein in jeder Hinsicht „bunter Haufen“ – unter der Leitung von Walter Bortolotti (Schulorchester) und Bastian Reukauf (Schulband) auf der Bühne ausgiebig feiern.

Guten Grund zu feiern gab es allemal, schließlich gehört die Mittelschule seit Dienstagabend um Punkt 21 Uhr ganz offiziell dem bundesweiten Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ an. Die Verleihung des Titels erfolgte durch Zehranur Aksu, Koordinatorin des Netzwerks für Unterfranken, die gemeinsam mit Landeskoordinatorin Karo Vorackova von Würzburg nach Mellrichstadt gekommen war.

Eingangs durften einige Worte von Schulleiter Egon Bauß nicht fehlen. Er freute sich über ein volles Haus, wobei neben Schulamtsdirektor Klaus Jörg und Schulrat Walter Volkmuth, Mellrichstadts Bürgermeister und Schulverbandsvorsitzendem Eberhard Streit und Rhön-Grabfelds stellvertretendem Landrat Peter Suckfüll viele weitere Ehrengäste begrüßt werden konnten.

Will eine Schule eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ werden, bedarf es der eigenen Initiative. Formale Voraussetzung zur Teilnahme am Courage-Projekt ist, dass sich mindestens 70 Prozent der Schulfamilie gegen diskriminierende Handlungen und Äußerungen bekennen. Zudem muss ein prominenter Pate benannt werden, der hinter der Bewerbung steht. Die Wahl fiel dabei auf Udo Lindenberg, der bereits im Vorjahr beim „Projekt Lindenberg“ als pädagogische Leitfigur vorgestellt wurde, seitdem wurde an der Orientierung der Schule gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit konsequent weiter gearbeitet.

In einer Inklusionsschule mit 400 Schülern, wo einheimische Jugendliche Tag für Tag mit Asylsuchenden „aus Ländern, die das Meer angeschwemmt hat“, zusammenkommen, seien Konflikte vorprogrammiert und ein hohes Maß an Toleranz und Verständnis nötig, um friedlich und integrativ miteinander umzugehen, unterstrich Bauß: „Da braucht man ein Konzept und einen Paten, der als Orientierungsperson helfen kann. Und das konnte in unserem Fall nur Udo Lindenberg sein. Denn dieser steht für eine bunte Republik, wir stehen für eine bunte Schule“.

Bürgermeister Eberhard Streit in seiner Funktion als Schulverbandsvorsitzender brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass die Schüler der Mittelschule Mellrichstadt zu Werten vorgedrungen sind, welche die freiheitlich-demokratische Ordnung in Deutschland maßgeblich bestimmen.

Eberhard Streit: „Umbenennung nur noch eine Frage der Zeit“

Streit positionierte sich klar: „Schade, dass wir heute nicht zeitgleich die Namensgebung unserer Schule feiern können. Immerhin war der Name Lindenberg und die Beschäftigung mit seinem Leben ein Stück weit Initialzündung zum aktuellen Weg, den die Mittelschule erfolgreich geht. Der Vorgang muss zwar noch formal beim Kultusministerium behandelt werden, ich traue mich aber, zu sagen, dass der neue Name nur noch eine Frage der Zeit ist. Ich gehe fest davon aus, dass diese Schule Udo-Lindenberg-Mittelschule heißen wird!“

Schade, dass der „Patenonkel“ Lindenberg – als dreifach für den Echo 2017 nominierter Künstler weilt er derzeit in Berlin, wo die Echo-Verleihung an diesem Donnerstag stattfindet – nicht da sein konnte, als „seine“ Mittelschule Mellrichstadt gemeinsam die Stimme erhob gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Hass und Hetze.

Gibt es an der Mittelschule überhaupt Rassismus? Und wo beginnt eigentlich Rassismus? Fragen, auf die die Kinder und Jugendlichen im Laufe des Abends die passenden Antworten parat hatten – zahlreiche Gänsehaut-Momente inklusive. „Rassismus beginnt schon, wenn einer denkt, er wäre etwas Besseres“, hieß es da, wobei auch die Mittelschule Mellrichstadt nicht frei von Vorurteilen ist, wie eine schulinterne Umfrage ergeben hat. Doch lässt man nichts unversucht, jeglicher Form von Rassismus im Schulalltag offen entgegenzutreten. Wobei das Sich-Einmischen viel Mut erfordere.

Darum ging es auch in der Szene „Über Mut“, in welcher der 15 Jahre alte Mohammat aus Syrien einen Flüchtling mimte, der auf dem Pausenhof von drei deutschen Mitschülern verprügelt worden war. Keiner hat ihm geholfen, selbst sein vermeintlicher Freund nicht. Betretene Stille machte sich breit, als die Zuhörer mehr über die „echte“ Biografie von Mohammat und die Hintergründe seiner Flucht erfuhren. Seine Mutter musste in Syrien zurück bleiben, hat aber ihrem Sohn das Versprechen abgenommen, es in Deutschland zu schaffen. „Sie ist stolz auf dich, auch wenn sie nicht bei dir sein kann“, versicherte Konrektor Achim Libischer, woraufhin Mohammat seine Tränen nicht zurückhalten konnte.

Vom Opfer zum Täter? Vor den Folgen von Nationalismus und Rassismus zu warnen, ist seit langem ein Anliegen von Udo Lindenberg. In den 90er Jahren formulierte er seine Vision von der „Bunten Republik Deutschland“, in der viele Kulturen friedlich und kreativ zusammenleben. In einem seiner Songs warnte Lindenberg bereits 1989 vor den braunen Verführern: „Vom Opfer zum Täter ist’s nur ein kleiner Schritt. Noch gestern ein Nichts und heut marschierst Du mit. Bist’n armes Kind – bist’n dummes Kind“.

Der Schulchor stimmte mit ein, und auch weitere Lindenberg-Songs wie „Sie brauchen keinen Führer“, „Mein Ding“ und „Gegen die Strömung“ tauchten im Programm auf. Letzgenannter Song wurde kurzerhand umgetextet in „Wir nennen uns bald Udo, denn er denkt genau wie wir“, eingebettet in ein biografisches Theaterstück mit einem „Udo-Double“, der sein Leben Revue passieren lässt.

Anschließend ergriff Konrektor Achim Libischer, der das Programm „Mutig gegen Rassismus“ auch konzipiert hat, das Wort. Wer behaupte, es gebe keine Vorurteile und Ausgrenzung an der Mittelschule, verschließe die Augen, so Libischer. Daher sei die Ernennung zur „Schule mit Courage – Schule ohne Rassismus“ für ihn keine Anerkennung, sondern Verpflichtung, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen.

Man darf gespannt sein, wohin dieser in Zukunft führen wird. „Mit diesem Schild passieren keine Wunder“, betonte eine von den Darbietungen sichtlich beeindruckte Zehranur Aksu vom „Schule ohne Rassismus“-Netzwerk. Die Hinweistafel sei vielmehr wie ein „Merkzettel aus Metall“, der die Schüler immer wieder an ihr gegebenes Versprechen erinnern soll. Wer weiß? Vielleicht weist das Schild eines Tages ja auch Udo Lindenberg persönlich den Weg nach Mellrichstadt. Oder will es der „Patenonkel“ etwa verpassen, wenn ein Schild mit seinem Namen an einer „Schule mit Courage – Schule gegen Rassismus“ angebracht wird?

Text: Carmen Hahner

Die Vorbereitungen sind im vollen Gange:

 

IMPRESSIONEN