Da kann man nur den Hut ziehen

Auch ohne Udo bekamen es die Mitwirkenden des 90-minütigen Programms „ganz locker“ hin, für Begeisterungsstürme im Festzelt zu sorgen. Die jungen Sänger, Schauspieler, Solisten, Tänzer und Instrumentalisten ernteten für ihr eindringliches Plädoyer für Frieden, Menschlichkeit, Mut und gegen jede Form von Rassismus am Ende frenetischen Applaus – von Enttäuschung also keine Spur. Zumindest bei den Schülern, Eltern und Gästen.

Die erste Enttäuschung von Achim Libischer nach der kurzfristigen Udo-Absage wich dann aber spätestens bei der Generalprobe am Freitagabend einem ganz anderen Gefühl: Dem Gefühl von Stolz auf das, was in den letzten drei Jahren erreicht wurde. Allen Zweiflern und Kritikern zum Trotz habe man festgehalten am Leitbild Udo Lindenberg, bekam 2017 den Titel „Schule mit Courage – Schule gegen Rassismus“ verliehen und darf seit 350 Tagen nun auch ganz offiziell den Namen Udo-Lindenberg-Mittelschule führen.

Dass es sich bei dem Namenspaten um einen noch lebenden Künstler aus der Unterhaltungsbranche handelt, war rückblickend wohl das größte Problem, resümierte Libischer. Doch in dem Wort „Unterhaltung“ stecke auch das Wort „Haltung“ – und dies sei genau der Punkt, wo man angesetzt habe. Denn seit nunmehr 50 Jahren kämpfe der Ausnahmekünstler für eine bessere Welt und gibt denjenigen Menschen eine Stimme, die sonst nicht gehört werden. Eine solche Haltung braucht es auch im Schulalltag, wo junge Menschen mitten in der Phase der Orientierung und Selbstfindung stecken. Man wolle Kinder, die überlegt den Mund aufmachen und keine „bocklose“ Generation.

Und das taten die Mittelschüler denn auch, erhoben lautstark ihre Stimmen gegen Rassismus, Rechtsradikalismus, Hass und Intoleranz. Schulchor, Schulorchester und Solisten ließen die Highlights aus dem „Projekt Lindenberg“ (2016) und Mutig gegen Rassismus“ (2017) noch einmal aufleben. Gleichzeitig führte die Revue durch das Leben und Wirken von Udo Lindenberg, der schon als kleiner Junge angesichts des Hungers in der Welt feststellt: „So ein Wahnsinn! Wir müssen was tun!“

Er beschließt, ein Trommler für den Frieden zu werden (packendes Schlagzeugsolo von Mauritz Küchler), und stellt als junger Mann fest: Ich bin selbst dafür verantwortlich, in welche Richtung sich mein Leben entwickelt und was ich daraus mache. Das erfordert Mut, und dazu fordert Udo Lindenberg in seinen Liedern immer wieder auf.

Mut braucht es aber auch, um sich einzumischen statt wegzusehen, stellten die Mittelschüler szenisch dar. Dass jeder Mensch gleich viel wert ist, verdeutlichte Sami Bakroun mit einem 20-Euro-Schein, der auch zerknüllt und zertreten seinen Wert nicht verliert. Heute aktueller denn je ist der Lindenberg-Song „Er wollte nach Deutschland“ aus dem Jahr 1982. Anhand der Geschichte von Hussein aus Afghanistan wurde deutlich, was es eigentlich bedeutet, vor Terror, Gewalt und Krieg fliehen zu müssen.

Und wozu sind Kriege denn überhaupt da? Ebenfalls ein zentrales Thema, welches Udo Lindenberg bereits seit dem Jahr 1981 „umtreibt“. Das gleichnamige Lied sorgte für Gänsehaut-Momente, und auch weitere Lindenberg-Hits wie „Mein Ding“ (gesungen und getanzt) und „Gegen die Strömung“ tauchten im Programm auf. Letztgenannter Song hat umgetextet in „Wir nennen uns jetzt Udo“ inzwischen fast schon den Status einer Schulhymne erreicht. Tosender Applaus war der verdiente Lohn für die Mitwirkenden, ein Stück weit aber auch für die Schulleitung um Rektor Egon Bauß und Konrektor Achim Libischer für ihren Mut und Einsatz, an der Orientierung der Schule mit Udo Lindenberg als pädagogischer Leitfigur konsequent festzuhalten. Da kann man nur den Hut ziehen – ob der „echte Hutträger“ nun anwesend war oder nicht.

 

Text: Carmen Hahner
Bilder: Simone Haupt